Als eigentliche Vorläufer der Ikonen gelten sowohl in technischer als auch in ideologischer Hinsicht die in Wachsoder Temperatechnik gemalten Porträtbildnisse aus christlich ršmischer Zeit (33313 n. Chr.). Die Mumienporträts von einzigartiger Schonheit haben bis heute ihre Faszination nicht verloren. Ihre impressionistische Wirkung beeindruckte immer wieder Kunstler der Neuzeit. Im Fayum, erRobayat und in Antino‘ im Niltal wurden Ende des 19. Jh. viele solcher Totenbilder entdeckt. 1887 erwarb der Kaufmann Theodor Graf (1840 1903) Mumienbildnisse aus Fayum und brachte diese nach Europa.
In Alexandrien und Unterägypten, zu dem auch die Oase Fayum gehort, lebten viele Griechen und Romer und es gab auch christliche und jŸdische Gemeinden. So war ägypten bereits eine multikulturelle Gesellschaft, die sich gegenseitig beeinflusste.
Die Kirchenväter Athanasius und Augustinus bezeugen, dass die ägyptischen Christen den Brauch, Tote zu mumifizieren und die Verstorbenen mit Porträtbildnissen zu versehen, pflegten. Es war ein Teil des altägyptischen Glaubens an das Weiterleben des Verstorbenen, der die Entstehung des Mumienbildnis begŸnstigte. Aus dieser religišsen Vorstellungswelt entwickelte sich die ršmische Kultur des Ahnenkultes, der Verstorbene bleibt als Erinnerter im Diesseits lebendig.
Die frŸhen Christen waren der †berzeugung, dass der Geist nach dem Tod wieder in den Kšrper zurŸckkehrt, deshalb stellten sie authentische Porträts der Verstorbenen auf den Sarkophag, um der Seele ein Wiederkommen zu ermšglichen. Die Auffassung, dass die auf den Bildern dargestellten Personen wirklich zugegen waren, fand in der philosophischen Richtung des Neuplatonismus ihre Bestätigung.
Die frŸhesten Mumienporträts sind in der Zeit des Kaisers Tiberius, 1937 n.Chr. datiert. Die Kunst der Mumienbildnisse stimmt mit dem Zeitraum zwischen dem Tod Jesu (ca. 33 n.Chr.) und der Tolerierung des Christentums als ršmische Religion (313 n.Chr.) Ÿberein. Porträts von Lebenden aber wird es lange vor dieser Zeit gegeben haben, denn die griechisch gepragte Welt der ägypter war voller Bilder. Viele dieser Mumienbildnisse wurden im Haus aufgestellt und verehrt. Die Porträts waren zugleich ein sakraler wie auch ein privater Kunstgogenstand. Die Bilder wurden am Kopfende einer Mumie kunstvoll mit Binden eingeflochten. So konnte das Familienmitglied nach seinem Tode täglich angeschaut werden und eine Verwechslung mit der mumifizierten Leiche war kaum mšglich. Es ist anzunehmen, dass viele Porträts von den Dargestellten zu Lebzeiten und zugleich in der Absicht, das Bild fŸr die Mumifizierung zu verwenden, in Auftrag gegeben wurde. In erster Linie war es die Oberschicht wohlhabender Leute, die sich zu Lebzeiten malen liessen.
Wer waren diese KŸnstler? Die KŸnstler hatten ursprŸnglich mit dem Totenkult, der in der Hand der Priester lag, nichts zu tun. Sie galten als Maler der Lebenden. Die Personifizierung der Porträts war gewollt, um die Individualität hervorzuheben und den Verstorbenen mit einem lebendigen Porträt zu schmŸcken.
Ein Porträt in Enkaustik konnten sich nur reiche, betuchte Leute leisten. So soll Kaiser Tiberius am Anfang des 4. Jh. fur eine Enkaustikmalerei ein Honorar, das ungefähr einem Wert von DM 844’900 entspricht, bezahlt haben.
Die Sitte des christlichen Ahnenkultes galt bis ins 4.Jh.n.Chr. und endete nicht spurlos, denn in der Ikone lebte die antike Malerei fort. Die christliche Staatsreligion unter Theodosius (379 95) verbot im Jahr 390/91 die Herstellung der Mumienbilder und aller heidnischer Kunst und fuhrte auf dem 2. Konzil das christliche Gedankengut als einzige katholische (= allgemeine) Lehre ein. In dieser Lehre lebte der Kult in dem Anbetungs und Verehrungsbild der Ikone weiter. Anders als das Porträtmumienbild, das ein Individuum erhalten soll, ist das Anbetungsbild, die Ikone, von aller Gegenständlichkeit abstrahiert. Die christliche Kultur hob nun die Askese und die Vergeistigung hervor. Zur Hoffnung auf das Jenseits und der Endzeiterwartung der Gläubigen musste jede Annaherung an die objektive Wirklichkeit im Diesseits vermieden werden. Es war die Vorstellung, dass die mumifizierten Toten wieder aus dem Schlaf erwachten. Maltechnisch gesehen gilt fur die Ikonen des 6. /7. Jh. (Katharinenkloster auf dem Sina•) das Gleiche wie fur die Mumienporträts. Das Bindemittel ist reines Bienenwachs, das mit den Pigmenten vermengt wird (Enkaustik). Dieser spršden Wachsfarbe fugte man …le oder Harze hinzu. Plinius d.ä. (2379) gibt eine interessante Beschreibung wieder: ‘Reines Bienenwachs wird zuerst lange geschwungen, dann unter HinzufŸgung von ein wenig naturlichem Salz drei bis vier mal im Meerwasser gekocht, zwischendurch getrocknet, wobei man den bildenden weissen Schaum abschšpft, man gibt dieser Masse etwas …l oder Harz der Pistacia Terebinthus hinzu’. Man spricht hier von einer Verseifung des Wachses, das anschliessend mit gut pulverisierter Farbe vermengt wird. Es wurde gemalt mit Pinsel oder Holzstäbchen. Die Anwendung der Enkaustiktechnik erinnert oft an die impressionistische Malerei des 19. /20. Jh. Auber der Wachstechnik gibt es eine Mischtechnik, die Wachstempera. Hier wird dem Eigelb ein wenig Wachs hinzugefugt. Die Farbpaste ist dunnflŸssiger und braucht nicht durch Warmezufuhr geschmeidig gehalten werden.
Der Bildtrager, die Holztafeln wurden in einer Starke von 14 mm dŸnn geschnitten. Die am meisten verwendeten Holzarten sind Zypresse, Zeder und Pinie.
Professor K. Welthe, ehemals Kunstakademie Berlin schreibt Ober die Enkaustik: Ô…sie ist unempfindlich gegen Feuchtigkeit und bleibt unveranderlich beim Altern. …So ist ein Enkaustikbild ewiger Bestand sicher, was durch Beispiele bewiesen ist, die mehr als 2000 Jahre alt sind! Die einzige Gefahr fur Enkaustik ist Hitze.’Die Malschicht blieb auch nach Jahrtausenden intakt, kein Vergilben, keine Schwundrisse, keine AlterssprŸnge, kein Nachlassen in der Leuchtkraft der Farbe. Die Wachstechnik zeigt eine legendäre naturalistische Wirkung von kaum vorstellbarer Vollendung.’
Ein interessantes Phänomen bei vielen Mumienporträts ist die Auflage von Blattgold. Zunächst fallen die rautenfšrmige Glieder der goldenen Kränze auf, die erst nach dem Tod, nach dem EinfŸgen der Bildnisse in die Mumie angebracht wurden. Es ist als sepulkrales (Begrabnis) Zeichen zu verstehen, das Gleiche gilt auch fur das Anbringen von Gold auf Gewänder und Kšrperteile, Augen, Lippen oder Zunge.
Es wurde der alten Vorstellung nachgegangen, diese Kšrperteile vor Verwesung zu bewahren, z.B. das Sprachvermogen bei den Lippen und Zunge zu erhalten. Gold wird nicht nur das Symbol des Lichtes zugeschrieben, sondern auch, wegen der Eigenschaft nicht zu oxidieren, die Unveränderlichkeit. Diese ursprŸngliche Bedeutung des Goldes wurde nach dem 4. Jh. von der byzantinischen Ikonenkunst Ÿbernommen und hat bis heute in der Tradition seine Bedeutung nicht verloren. Auffallend ist, dass die Personen immer frontal und nicht im Profil dargestellt wurden; auch diese Bildauffassung wurde von der frŸhbyzantinischen Kultur aufgenommen. Das Mumienporträt spricht von der Vergänglichkeit des Augenblicks und ist gŸltig bis in unsere Zeit. Wer waren diese Menschen, die uns so vertraut vorkommen und die so undurchdringlich zu uns scheinen? Was dachten sie und was glaubten sie? Sie vermitteln uns das GefŸhl der Nahe und des Bekanntseins. Sie zeigen eine Authentizität wie eine Fotografie aus frŸherer Zeit. Ihr stummer Blick bleibt ein Augenblick der Vergangenheit in der Ewigkeit.
Die Porträtmumien sind ein Endprodukt der antiken Welt und eršffnen die Entwicklung der Ikonenkunst.
Beide hier abgebildete Mumienporträts sind von uns in Originalgršsse und Technik gemalt bzw. kopiert.